Legacy – October 2018

LEGACY #117 – Oktober 2018 – Interview Christian Wachter mit Michael Sommerhoff (Gitarrist/Sänger von PILEDRIVER)

1. Hallo, wie geht`s, wie steht`s? Lange hat`s ja nicht gedauert, bis ihr mit „Rockwall“ einen Nachfolger eures letzten Albums „Brothers In Boogie“ folgen lassen konntet. Dazwischen erschien ja auch noch die umfassende Doppel-Live-CD und Blu-Ray „The Boogie Brothers Live In Concert“. Ihr scheint ja momentan sehr aktiv und kreativ zu sein! Wie schafft ihr es, nach so vielen Jahren Bandgeschichte immer noch das Feuer aufrecht zu erhalten?

Michael:
Das muss wohl am fortschreitenden Alter liegen – wir schreiben Musik, nehmen auf und spielen live, so oft wir können – und so lange wir es noch können…;-) Alles ist schließlich endlich, und das diesbezügliche Bewusstsein und die Wertschätzung dafür, dass wir alle gemeinsam immer noch mit einer Band durch die Lande ziehen und damit das tun können, was wir bereits als Teenager am liebsten getan haben, sind in den letzten Jahren erkennbar gestiegen. Wahrscheinlich deshalb ziehen nun “alle an einem Strang” und wollen “Erinnerungen schaffen”. Die knapper werdende Zeit lässt das Feuer lodern…

In der Tat hatten wir in den zurückliegenden 3 Jahren in kreativer Hinsicht “einen guten Lauf”. In der Dekade zuvor haben wir uns (im Wesentlichen aus zeitlichen, sprich: beruflichen Gründen) nur als Tributeband auf den Bühnen gezeigt. Irgendwann waren wir es schließlich leid, den (fast) immer gleichen Set zu spielen und als die “Kopie von…” aufzutreten. Nach einer Auszeit in 2012 und 2013 haben wir dann beschlossen, das bloße Tributeband-Dasein zu beenden, unsere eigenen Songs zu kreieren und einen eigenständigen Sound zu prägen. Und ich glaube, dass wir mit dem neuen Album “ROCKWALL” diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen sind. Aber letztlich sollen und müssen das Fans und Musikjournalisten beurteilen.

2. Inwiefern unterscheidet sich „Rockwall“ eurer Meinung nach von seinem Vorgänger „Brothers In Boogie“? Ich denke, dass ihr es geschafft habt, eure Wurzeln im Status Quo – mäßigen Sound aufrecht zu erhalten und gleichzeitig etwas mehr in eine eigene Richtung zu entwickeln…

Michael:
Dann siehst Du das ja ähnlich wie ich; in der Tat, man hört natürlich, mit welchen “Helden” wir musikalisch sozialisiert wurden, aber ROCKWALL ist noch eigenständiger als BIB; wir haben unseren eigenen Stil weiter geprägt: Klassischer, melodiöser Hard / Blues Rock; das neue Album bietet z. B. mit FAREWELL, FOR FREEDOM AND FRIENDS, SPARKS etc. auch noch ein wenig mehr musikalische Vielfalt. Und – sehr wichtig – einen “signature sound” – man hört, dass BIB und ROCKWALL von derselben Band und demselben Produzenten, nämlich Stefan Kaufmann, geschaffen wurden.

3. Ursprünglich habt ihr ja angekündigt, „Rockwall“ bereits Ende 2017 zu veröffentlichen. Wieso hat es dann trotzdem etwas länger gedauert bis das Album fertig wurde?

Michael:
Ja, das war der Plan. Release sollte bereits einige Wochen vor Weihnachten 2017 sein. Die Gründe liegen zum einen darin, dass wir während der Aufnahmephase, die bereits im Juli 2017 begonnen hatte, weiter Songs geschrieben haben, die wir dann an Stelle bereits aufgenommener Titel auf das Album gebracht haben, weil sie Stefan und uns besser gefallen haben. Der Titeltrack ROCKWALL ist beispielsweise als einer der letzten Songs entstanden und dann aufgenommen worden, so war es auch mit AGITATORS sowie mit dem Track ONE FOR THE ROCK, mit dem Peter uns dann ganz zum Schluss der Aufnahmesessions noch überrascht hat. Letztlich ist also Material übrig geblieben, das nicht den Weg auf das Album gefunden hat. Vielleicht veröffentlichen wir die Titel einmal “zwischendurch”, um die Zeit bis zum nächsten Album zu verkürzen. Und für dieses sind drei Tracks bereits wieder in der Schublade. Es geht also noch weiter… Zum anderen gab es nicht ganz unerwartete terminliche Schwierigkeiten, da alle Beteiligten nicht mit Freizeitproblemen zu kämpfen haben und es teilweise nicht einfach war, die richtigen Personen zur rechten Zeit am rechten Ort zu versammeln. Hektik wollten wir aber aus Gründen der “Qualitätssicherung” nicht aufkommen lassen, daher haben wir uns dann für einen um einige Monate späteren Release-Termin entschieden.

4. Welche Bands außer den obligatorischen Status Quo haben euch beim Schreiben eurer eigenen Songs beeinflusst?

Michael:
Ich höre bei den Songs, die ich zum Album beigesteuert habe, kaum bis keine SQ-Einflüsse mehr heraus, da ich eben nicht mehr die entsprechenden und hinlänglich bekannten “Templates” nutzen wollte. Sonst wäre ja auch wenig Eigenständiges dabei entstanden. Beeinflusst und inspiriert hat mich schon vor vielen Jahren sehr viel mehr eine andere große britische Band, nämlich die guten alten UFO zu Zeiten, da Michael Schenker den Sound geprägt hat. “Strangers in the night” ist für mich eines der besten LIVE-Alben aller Zeiten, und das Comeback- bzw. Reunion-Studio-Album “Walk on water” aus den 1990er Jahren finde ich ebenfalls fantastisch. Die Vocals von Phil Mogg und die Leadgitarre von Schenker ergänzen sich perfekt. Das wäre noch ein großer Wunsch von mir: für diese Band einmal den support bestreiten zu dürfen. Dass zu den weiteren großen Bands, die mein Songwriting beeinflusst haben, AC/DC, Deep Purple, Uriah Heep und auch ein wenig Iron Maiden gehören, wird der geschätzte Hörer sicherlich bejahen. Aber der Mix macht es, und so wird es am Ende ein eigenständiger Sound. Abgesehen davon, dass man “das Rad” insbesondere im Rockbereich nicht mehr neu erfinden kann, wäre dies mit Blick auf den natürlich erstrebten Erfolg des Produkts auch gar nicht ratsam. Denn niemand kauft etwas, wenn es ihm nicht in irgendeiner Weise vertraut vorkommt; man muss als Käufer sicher sein können, eine CD zu erwerben, die einem überwiegend gefallen wird.

5. Wird das Vermächtnis der großartigen Status Quo irgendwie immer im Sound PILEDRIVERs spürbar sein oder könntet ihr euch vorstellen, euch davon irgendwann mal komplett zu lösen?

Michael:
Wenn wir an die Zeiten denken, als wir mit 14, 15 und 16 Jahren das Glück hatten, die Gigs der “Frantic Four” (= Original-Quo-Line-up mit Coghlan/Lancaster/Parfitt/Rossi) in der Dortmunder Westfalenhalle, der Essener Grugahalle oder der Kölner Sporthalle erleben zu dürfen, schlagen unsere Herzen heute noch schneller. Was für eine fantastische und unvergleiche Live-Band! Sie waren Mitte bis Ende der 1970er Jahre unschlagbar, und wer nicht dabei war, kann nicht wissen, warum Quo damals tatsächlich so etwas wie eine Religion war. Sie waren der Grund, warum Peter und ich mit dem Gitarrespielen anfingen und eine Band ins Leben riefen. Wenn man ihre Alben heute auflegt, kann man das natürlich nicht mehr so recht nachvollziehen. Quo war die Live-Band an sich. Und natürlich haben wir das Bedürfnis, an diejenigen zu erinnern, die das Headbanging und die tiefer gestimmten Gitarren erfunden und uns sowie vielen anderen “den Boden bereitet” haben. Deshalb ist ja in Gestalt von ROCKERS ROLLIN´ auch auf ROCKWALL eine Hommage an unseren “all-time-hero” Rick Parfitt dabei, und wahrscheinlich wird es bei den Alben, die wir als PILEDRIVER möglicherweise noch zusammen aufnehmen werden, immer 1 oder 2 Tracks geben, die wir denjenigen widmen möchten, die die “Initialzündung” gaben. Ansonsten wollen wir aber nun unseren eigenen Weg weiter gehen – wie bereits erwähnt.

6. Erneut habt ihr mit Stefan Kaufmann zusammengearbeitet. Die Produktion von „Rockwall” ist auch ungemein druckvoll ausgefallen, weswegen verständlich ist, wieso ihr erneut auf Kaufmann gesetzt habt. Scheinbar genießt ihr die Zusammenarbeit mit dem Ex-Drummer von Accept und Ex-Gitarristen von U.D.O., richtig? Was sind für euch die Vorteile, dort aufzunehmen?

Michael:
Danke für das Kompliment, das ich gern gelegentlich weiter leite. Stefan hat sein Handwerk bei Dieter Dierks (Anmerkung: u.a. Produzent von ACCEPT und SCORPIONS) gelernt und dort wohl auch eine “harte Schule” durchlaufen. Aber ansonsten hätte es die Klassiker wie z. B. “Balls to the wall” oder auch die Scorps-Alben “Lovedrive”, “Animal Magnetism”, “Blackout” jedenfalls nicht in der uns heute bekannten Fassung gegeben. Will sagen, Stefan hat den Hang zu Präzision und Perfektionismus von Dieter Dierks verinnerlicht und legt entsprechende Ansprüche bei seinen Produktionen zugrunde. Aufnahmen in seinem ROXX-Studio sind also kein “Spaziergang” oder etwa “vergnügungssteuerpflichtig”. Aber als Musiker haben wir in den letzten gut 3 Jahren unheimlich viel gelernt und uns – in aller Bescheidenheit – doch ganz erheblich verbessert. Und was für ein großartiges Kompliment ist es denn für uns, wenn jemand, der in der Musikbranche weltweit ganz oben in der ersten Liga mitgespielt hat, uns sagt, wie viel Freude ihm unsere Musik macht und dass er großen Spaß an den Produktionen mit PILEDRIVER hat? Er ist vom Potential der Band überzeugt. Und wir sehen die Zusammenarbeit als eine Chance, wirklich professionelle und wettbewerbsfähige Produkte zu kreieren. Mit wem sonst, wenn nicht mit Stefan? Er sagt stets, dass er niemals seinen Namen unter “irgendeinen Mist” setzen lassen würde. Hat er sich einmal in seine Arbeit vertieft, spielt Zeit auch keine größere Rolle mehr. Es wird so lange getüftelt, bis ein Track nach seiner Überzeugung perfekt ist. Nach Aufnahmeschluss ist Stefan ein hervorragender Gastgeber, der das Zeug zum “Sterne-Koch” hat. Auch aus kulinarischen Gründen empfiehlt sich also eine Produktion im Hause Kaufmann… Schließlich hat Stefan uns dann bei ROCKWALL noch mit den U.D.O.-Produzenten in den Red Head-Studios aus Wilhelmshaven zusammengebracht. Dort wurde unser Album gemischt. Das Kompliment für den druckvollen Sound geht also auch an diese Jungs, die nach eigenem Bekunden ebenfalls viel Spaß an der Produktion hatten.

7. Wieso hat Stefan Kaufmann zudem sämtliche Drumspuren von „Rockwall“ eingetrommelt? Stand euer eigentlicher Schlagzeuger Hans in´t Zandt nicht zur Verfügung?

Michael:
Anders als der Rest der Band lebt Hans von der Musik. Und da man aus Tonträgerverkäufen bzw. GVL-Tantiemen kein hinreichendes Einkommen mehr generieren kann, muss er ständig live spielen. Und somit trommelt er in (mein letzter Stand der Dinge) 8 verschiedenen Bands (z. B. Praying Mantis, Harris, Parris usw.). Als es um die Terminierung der Drum-Recordings ging, haben Hans und Stefan ihre Terminkalender nebeneinander gelegt und entdeckt, dass es über einen Zeitraum von mehreren Monaten eine Schnittmenge von exakt 2 verfügbaren Tagen gab. Und die reichen nun bei einer solchen Produktion bei Weitem nicht. Was lag näher, als den früheren ACCEPT-Drummer zu fragen, ob er denn für uns noch einmal (wenigstens im Studio) die Sticks schwingen würde? Was er dann auch getan hat – meines Erachtens zum Besten von ROCKWALL. Die Drum-Arrangements sind genau so, wie sie bei dieser Musik sein müssen – wir jedenfalls sind begeistert, und ich hoffe, dass die Fans das ähnlich hören und sehen werden!

8. Einen Tag vor dem Tag der Deutschen Einheit sitze ich hier und schreibe diese Fragen auf. Vor 28 Jahren wurde gefeiert, dass eine Mauer fiel, die Deutschland teilte. Heutzutage gibt es diverse Leute, die gerne wieder Mauern aufbauen würden und das mitunter auch durchziehen. Die Herren Putin, Trump, Erdogan und Kim Jong-un sind auf der Mauer eures Covers verewigt. Inwieweit spielt „Rockwall“ auf diese heutige „Tendenz“ in der Weltpolitik an, Mauern wieder hochzuziehen und alte Konflikte neu zu beleben?

Michael:
Wir haben lediglich die prominentesten Hetzer auf das Cover von ROCKWALL gebracht; aber selbstredend gibt es noch viele andere, die ähnlich gefährlich sind (z. B. im UK die Brexit-Befürworter Nigel Farage, Boris Johnson, bei uns die AFD-Hetzer Höcke, Weidel, Gauland, in F Le Pen, in Katalonien Puidgemont usw usw). Unsere Botschaft an die Menschen: Lasst euch nicht irre machen, haltet zusammen, sprecht, feiert und lacht miteinander – und zeigt den Spaltern den Mittelfinger!

Lasst euch von Hetzern nicht verführen, denn diese wollen Wohlstand, Macht und Ruhm nur für sich selbst, nicht für die Menschen, deren Interessen sie vermeintlich, aber natürlich nicht tatsächlich vertreten.

Die ROCKWALL steht für tatsächliche und noch im Planungsstadium befindliche Mauern aus Stein (wie jene an der Südgrenze der USA zu Mexiko, wie der Wiederholungsfetischist und aktuelle Präsidenten-Darsteller Trump im Wahlkampf gebetsmühlenartig seiner Schafherde vortrug), aber auch für jene unsichtbaren Mauern zwischen den Menschen, die entstehen, wenn man nicht miteinander kommuniziert und als Konsequenz daraus dann Misstrauen, Streit und am Ende blinder irrationaler Hass wachsen. Eine böse Spirale, und anlässlich der global festzustellenden nationalistischen Tendenzen besteht durchaus jeder Anlass zur Panik. Ein Leben in Frieden und Freiheit hat unsere und die uns nachfolgende Generation immer als selbstverständlich vorausgesetzt. Dass dies so bleibt, ist längst nicht ausgemacht. Bricht das Friedensprojekt EU auseinander und übernehmen zu allem Überfluss Hetzer von der AFD (wie Möchtegern-Führer Höcke oder die sich optimal als Darstellerin einer KZ-Aufseherin eignende Weidel Alice) die Macht, sind kriegerische Auseinandersetzungen absehbar. Und dann wird die “Generation Z” lernen, dass es schwerwiegendere Probleme gibt als fehlendes WLAN.

Darum appellieren wir in einigen Lyrics auf ROCKWALL an die Menschen, miteinander zu sprechen und zu diskutieren – stoppt “Deutschland brüllt”, unterstützt “Deutschland spricht”. Denn das ist eine Initiative, die Bundespräsident Steinmeier zusammen mit der Wochenzeitung “Die Zeit” auf den Weg gebracht hat, die wir für unterstützenswert halten: Bei “Deutschland spricht” werden Gesprächspartner zusammengebracht, die gänzlich unterschiedliche Ansichten vertreten. Die Leute werden so herausgeholt aus ihrer “Filterblase”. Man muss natürlich offen sein für einen konstruktiven Diskurs, offen sein für die Sichtweisen anderer Menschen. Aber ein “weiter so” mit Fake News, Beleidigungen, Gewaltandrohungen und deren Umsetzung in die Tat darf es nicht geben. Wir verrohen jeden Tag ein Stückchen mehr, verlieren die Empathie für einander. Deshalb muss man ergebnisoffen miteinander reden. Ich habe mich übrigens ebenfalls für eine Diskussionsteilnahme registriert. Einfach mal nachlesen unter www.zeit.de.

Und schließlich zeigt das Cover von ROCKWALL, das Musik auch die stabilsten Mauern zum Einsturz bringen kann – Musik eint und verbindet! Wenn Du mit anderen einen Gig Deiner Lieblings-Band zelebrierst, fragst Du den Fan neben Dir nicht nach Herkunft, Staatsbürgerschaft, Beruf, Einkommen etc. Ihr hakt euch unter und feiert zusammen! Und daher braucht es Musik heute mehr denn je, damit die Menschen friedlich miteinander leben.

9. Im Booklet von „Rockwall“ findet sich, wie schon bei „Brothers In Boogie“, ein Kommentar zu aktuellen Lage der Welt. Ist es euch wichtig, euch in politischer / sozialer Sicht zu äußern? Denkt ihr, Musik kann Leute zum Nachdenken anregen?

Michael:
Das ist uns in der Tat ein wichtiges Anliegen. Bei all den Besorgnis erregenden Entwicklungen und Problemen auf der Welt kann und will ich nicht mehr über Belanglosigkeiten schreiben. Wir haben alle eine Verantwortung, als Wähler haben wir es ganz wesentlich in der Hand, ob wir auch künftig in einem friedlichen Europa leben oder in nationalistische Kleinstaaterei zurückfallen werden. In letzterem Falle würden sich China, Russland etc. “bedanken”. Uns ist es deshalb wichtig, die Leute mit unseren Songs zum Mit- und Nachdenken anzuregen – Unterhaltung mit Haltung, um einmal den großen Udo Jürgens zu zitieren.

10. „Rockwall“ durchzieht das Thema Kommunikation bzw. das Fehlen von Kommunikation untereinander wie ein roter Faden: Ist es nicht widersinnig, dass die (zwischenmenschliche) Kommunikation in unserem Informationszeitalter auf der Strecke bleibt? Wir können in Windeseile mit aller Welt in Kontakt treten, aber angesichts dieser Fülle an Möglichkeiten bleibt die menschliche Komponente scheinbar auf der Strecke…

Michael:
“Fools said I you do not know silence like a cancer grows” – das sangen Simon & Garfunkel bereits 1966. Auch ihr Thema war häufig die fehlende Kommunikation. Ich bin davon überzeugt, dass die gerade bei Jugendlichen mittlerweile überwiegend mittels elektronischer (der vermeintlich sozialen) Medien stattfindende Kommunikation genau dazu führt, dass die Menschen die Fähigkeit zur tatsächlichen Verständigung im Sinne von Gespräch und Diskurs, aber auch die Fähigkeit zur Empathie und Diplomatie verlieren bzw. gar nicht mehr erwerben. Das Gefühl für Sprache geht zudem verloren; viele Menschen sind nicht mehr in der Lage, Emotionen über Sprache angemessen zu transportieren, ohne den Empfänger einer Botschaft zu verletzen oder zu beleidigen. Diese Veränderung hat in den letzten 10 Jahren Fahrt aufgenommen, und niemand weiß heute um die Langzeitfolgen der exzessiven Smartphone-Nutzung. Ich befürchte jedenfalls, dass für die Menschheit nichts Positives dabei herauskommen wird. Soviel lässt sich jetzt schon absehen.

11. ´Rockers Rollin´´ stellt eine Hommage an den an Heiligabend 2016 verstorbenen Rick Parfitt dar. Ist es schon eine Art Tradition im Hause PILEDRIVER, mindestens einen alten Quo-Song auf euren Alben zu covern?

Michael:
Ja, wie bereits weiter oben (unter Frage 5) erläutert, gebührt denjenigen unser Respekt, die vor uns da waren und uns so nachhaltig inspiriert haben. Deshalb werden wir wahrscheinlich auch einem möglichen weiteren Album die auf BROTHERS IN BOOGIE und ROCKWALL etablierte Tradition fortführen und jeweils 1 bis 2 Titel der “Vorfahren” in einer bearbeiteten Fassung im heutigen Soundgewand präsentieren. Man verstehe das als unsere Verneigung vor den Größen unserer Branche.

12. Wie habt ihr das Ableben von Rick Parfitt aufgenommen? – Das dürfte ja ein ziemlicher Schock für die ganze Quo-Fangemeinde gewesen sein… Spätestens jetzt wird eine neuerliche Zusammenkunft der ehemaligen „Frantic Four“ nie wieder möglich sein…

Michael:
Rick schien ja – trotz aller persönlich unternommenen gegenteiligen Anstrengungen – unverwüstlich bzw. “unkaputtbar” zu sein. Selbst nach seinem letzten Herzinfarkt, welcher der Show im türkischen Antalya am 14. Juni 2016 folgte und die sich dann als seine Abschiedsvorstellung herausstellen sollte, hatte er ja noch den Spruch geäußert: “It takes more than death to kill me”. Irgendwie waren wir geneigt, das zu glauben. Was hatte er nicht Alles überstanden! Um so größer dann der Schock, als wir kurz “vor Bescherung” am heiligen Abend die Nachricht zur Kenntnis nehmen mussten, dass Rick sich in diesem Punkt wohl geirrt hatte. An diesem Abend habe ich mich dann endgültig von SQ verabschiedet, denn ohne Rick kann es für mich keine Band geben, die zu Recht den Namen Status Quo trägt. Das wäre ja so, als wenn Paul McCartney unter dem Banner der Beatles touren würde. Nein, mit Rick sind auch SQ gestorben. Denn SQ waren die Frantic Four. Und so möchte ich die Band in Erinnerung behalten.

13. Wie steht ihr zu dem was Status Quo heutzutage machen, ist das noch im Geiste der ursprünglichen Band? – In jüngster Zeit erschienen ja die alten Klassiker im Akustikgewand…

Michael:
Tja, ich glaube, meine Ausführungen zu Deiner vorangegangenen Frage lassen die Antwort vorhersehbar erscheinen. Die letzten Quo-Releases, die ich gekauft habe, stammen allesamt aus den Jahren 2013 und 2014, in denen die Frantic Four 2 Reunion-Tourneen unternommen haben. Ich bin sehr froh, dass ich dies nach mehr als 30 Jahren Trennung der Original-Band noch erleben durfte. Und dann hatte sich der Kreis geschlossen. Dieses Ereignis war durch nichts mehr zu toppen. Deshalb waren das auch die letzten Konzerte, die ich besucht habe.

14. Im vergangenen Jahr habt ihr, wie bereits erwähnt, eine Doppel-Live-CD und Blu-Ray „The Boogie Brothers Live In Concert“ veröffentlicht. Das Besondere an der mitgeschnittenen Show in Wattenscheid war, dass das Konzert anlässlich eures zwanzigjährigen Bestehens stattfand. Wie habt ihr persönlich diesen sehr bewegenden Abend erlebt?

Michael:
Es war mein Wunsch, anlässlich des 20-jährigen “Jubiläums” von PILEDRIVER im Oktober 2015 eine “Anniversary-Show” in unserer Heimatstadt Bochum zu veranstalten und diese für eine BluRay /Doppel-Live-CD aufzuzeichnen. Es war in der Tat bewegend, mit “meinen” Jungs, die ich nun schon so lange kenne und die meine besten Freunde sind, immer noch gemeinsam auf der Bühne zu stehen, was sich für mich deshalb so anfühlt wie “nach Hause kommen”. Was gibt es Schöneres? Ich wollte deshalb einfach etwas “Bleibendes” schaffen, was man sich nach weiteren z. B. 25 Jahren – dann möglicherweise aus der Schaukelstuhlperspektive – wieder ansehen kann um – vielleicht – festzustellen, dass diese Band eine – natürlich nur meine Meinung – großartige Bühnenpräsenz hatte, wie gut die einzelnen Musiker als Team harmonierten und wie viel Spaß es machte, gemeinsam auf Tour zu sein. Diesen Wunsch haben wir uns erfüllt, und auch wenn wir mit dem Produkt überhaupt keine Umsätze getätigt hätten, wäre es dennoch in Ordnung gewesen.

15. Euer neues Album erscheint über Rockwall Records. Ist das eure eigene Plattenfirma? Eure Musik hätte durchaus das Potential, bei einem größeren Label zu erscheinen. Zieht ihr es vor, eure Songs auf eigene Faust zu vermarkten anstatt alles in die Hände einer Plattenfirma zu geben, schätzt ihr diese Unabhängigkeit?

Michael:
Ich danke Dir abermals für Deine freundlichen Worte. Ehrlich gesagt bin ich der Überzeugung, dass uns kein Plattenlabel auch nur annähernd das Budget zur Verfügung stellen würde, dass wir für die Produktion, das Marketing und den Vertrieb (inklusive der Tour, die wir zur Unterstützung der Verkäufe spielen werden) benötigen – und auch haben. Darum wurde rechtzeitig vor der Produktion von BROTHERS IN BOOGIE die ROCKWALL RECORDS GmbH gegründet, die eine Tochtergesellschaft zweier Kapitalgesellschaften ist, deren Mehrheitsgesellschafter ich bin. Bei Interesse einfach mal diese Homepage besuchen: www.sommerhoff.de Und dann wisst Ihr auch, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene und warum ich nicht davon überzeugt bin, dass wir mit einem anderen (größeren) Label mehr erreichen könnten als auf die Weise, für die wir uns entschieden haben. Wir sind völlig frei in unseren Entscheidungen und bauen einzig auf die Erfahrung und Kompetenz der Leute, die mit uns produzieren, die an uns glauben und deshalb mit uns an einem Netzwerk knüpfen. Wir glauben, dass unser Weg – zumindest in der heutigen Zeit – der richtige Weg ist.

16. Habt ihr schon Live-Auftritte geplant, um „Rockwall“ umfassend zu promoten?

Michael:
Die ersten ca. 20 Termine stehen schon; wir arbeiten aber noch an einer anderen Sache. Wenn es klappt, können wir in 2019 mit einer von uns sehr geschätzten Band auf Europa-Tour gehen und diese supporten. Aber da noch nichts fixiert ist, halte ich mich jetzt besser geschlossen. Sobald etwas feststeht, melden wir uns wieder…

17. Wie werden eure Live-Setlists aussehen, werdet ihr vermehrt eigene Stücke und nur noch wenige Quo-Coverversionen spielen?

Michael:
Sofern wir den Zuschlag für den eben erwähnten Tour-Support erhalten, werden wir in diesem Rahmen ausschließlich ein “Best-of” der bisherigen 4 PILEDRIVER-Alben spielen – mit Fokus auf ROCKWALL und BROTHERS IN BOOGIE. Ansonsten spielen wir auf Wunsch des jeweiligen Veranstalters natürlich auch noch ab und an die “Kracher” von SQ. Aber das Tributedasein – jedenfalls das ausschließliche – haben wir “ad acta” gelegt.

18. Ok, das waren alle meine Fragen. Vielen Dank für eure Antworten! – Die letzten Worte gehören euch… Würdet ihr mir bitte noch eure Top 5 – Alben nennen? – Vielen Dank und alles Gute weiterhin für euch und PILEDRIVER!

Michael:
Danke Dir für die guten Wünsche, die ich gern und herzlich erwidere! Vielleicht treffen wir uns ja am Rande eines unserer Gigs dann doch mal zum persönlichen Gespräch. Du weißt ja jetzt, dass ich davon grundsätzlich mehr halte als von der Kommunikation über elektronische Medien…;-) Und danke insbesondere dafür, dass ich meine Ansichten unzensiert in LEGACY äußern darf. Ein Beweis dafür, dass es die Pressefreiheit in diesem Land noch gibt.

Die Top 5 – Alben – das ist schwierig, aber unter Berücksichtigung unserer musikalischen Prägung hier ein Versuch:
1. STATUS QUO LIVE (Doppelalbum, aufgenommen im Apollo-Theater in Glasgow im Oktober 1976)
2. UFO – Strangers in the night (Live-Doppelalbum, aufgenommen im Herbst 1978 in den USA)
3. AC/DC – Back in black (1980)
4. DEEP PURPLE – Made in Japan (Live-Doppelalbum, aufgenommen im August 1972 in Osaka und Tokio)
5. VAN HALEN – 1984