Legacy – April 2023

PILEDRIVER – Interview – April 2023

Christian Wachter (LEGACY, Germany) und Michael Sommerhoff (Gitarrist bei PILEDRIVER)

1. Hallo, wie geht´s euch? Wir haben schon seit einiger Zeit kein Interview mehr miteinander geführt, umso mehr freut es mich, mit euch nun eine umfassende 2 Seiten – Story in der nächsten „Legacy“ – Ausgabe zu machen!

Michael:

Das ist wahr – seit dem Release von „ROCKWALL“ ist eine Menge Wasser die Donau hinabgeflossen. Wir sind sehr froh, dass die – im Wesentlichen pandemiebedingt – gigfreie Zeit nunmehr passé ist und wir wieder auf die Bühne dürfen! Schön, dass wir beide uns nach langer Zeit wieder einmal zu einem „Plausch“ zusammengefunden haben.

2. Starten wir gleich durch: Wie kam es zu der Idee, nun ein aufwendiges Digipack mit 3 CDs, DVD und Blu-Ray von drei Live – Konzerten zu machen?

Michael:
Die Idee kam bereits bei der Planung der Promo-Kampagne zum „ROCKWALL“-Album; zunächst war lediglich die Aufzeichnung einer Show der geplanten Tour vorgesehen: der Support-Gig in Herne für IAN PAICE featuring Purpendicular, das Side-Project des Deep Purple-Drummers. Als dann aber auch Show-Anfragen aus UK und den Niederlanden hereinkamen, keimte die Idee für „LIVE IN EUROPE“. Statt eines einzigen 100-minütigen Gigs sollten es nun 3 Konzerte in 3 EU-Staaten werden (der UK-Gig fand am 28.09.2019 statt, und das Vereinigte Königreich verließ die EU ja erst mit Ablauf des 31.01.2020). Und schlussendlich wollten wir nicht nur eine bloße Neuauflage dessen produzieren, was wir mit unserer in 2017 erschienenen ersten Blu Ray bereits „geliefert“ hatten, auf der unsere „20th Anniversary-Show“ aus der Stadthalle Bochum veröffentlicht worden war. Als wir diese Pläne schmiedeten ahnten wir allerdings nicht, dass wir die letzten Shows des langjährigen Line-Ups der Band aufzeichnen würden.

3. Mit Schrecken habe ich die Nachricht vom Tod eures Keyboarders Rudi Peeters gehört. Erstmal herzliches Beileid meinerseits! Rudi war ja noch sehr jung (42 Jahre alt) und soweit ich den Infos auf eurer neuen Veröffentlichung entnehmen kann, konntet ihr euch aufgrund Reisebeschränkungen während der Pandemie nicht mal anständig von ihm verabschieden… Das stelle ich mir ziemlich hart vor, wie habt ihr diese Zeit erlebt?

Michael:
Unwirklich, surreal – die ganze „COVID-Ära“ hatte ja u. a. durch die Einschränkung der persönlichen Freiheit deutliche Merkmale einer Dystopie. Und Rudis überraschender Tod knapp 6 Monate nach Beginn der Pandemie in Europa mutete ebenfalls wie ein Albtraum an, aus dem wir vergeblich zu erwachen hofften. Keine 3 Wochen vorher hatte er mich noch per E-Mail angeschrieben und gefragt, ob die für Herbst 2020 geplanten (und seinerzeit noch nicht gecancelten) Gigs wohl stattfinden würden. Er hoffte, nach Beendigung des (ersten) „Lockdowns“ endlich wieder einmal nach Indonesien reisen zu können, wollte aber für die Band verfügbar sein und Terminkollisionen vermeiden. Auf Lombok lebte seine Freundin, mit der er sich sehr stark in einer Stiftung engagierte, die sich für die außerschulische Bildung von Kindern aus sehr armen Familien einsetzt. Allen Plänen wurde dann aber am 29.08.2020 – Rudis Todestag – ein Ende gesetzt. In der Tat hatten wir uns nach unserem letzten Gig, der am 25.01.2020 in Zwolle/NL stattfand, eher flüchtig voneinander verabschiedet, da es ja nach den ursprünglichen Plänen wenige Wochen darauf mit den nächsten Shows weitergehen sollte, zu denen es dann pandemiebedingt nicht mehr kam. Und so fuhren wir am 03.09.2020 nach Maasbree/NL (Rudis Heimatstadt), um Abschied zu nehmen. Ein schlimmer Tag. Danach haben wir auf unbestimmte Zeit alle musikalischen und damit in Verbindung stehenden Aktivitäten ad acta gelegt.

4. Sind die jetzt kommenden Live – Aufnahmen auch ein Tribut an Rudi? Es ist eine schöne Geste, dass ihr auch seine letzte Live-Performance in Zwolle mit auf die Blu-Ray bzw. DVD genommen habt…!

Michael:

Danke Dir; ja, der Release ist als Tribut gedacht, denn Rudi war 16 Jahre lang unser Keyboarder und vor allem unser Freund. Musikalisch hat er zu unseren Alben mit Original-Material sehr viel mehr beigetragen, als mancher aufgrund seines „2. Reihe“-Parts auf der Bühne vermuten würde. Aus diesen Gründen ist es uns wichtig, mit der Veröffentlichung der letzten Shows mit Rudi ein Dokument unserer gemeinsamen Zeit zu schaffen – und ein langes Kapitel der Bandgeschichte würdig abzuschließen.

5. Habt ihr nach Rudis Ableben darüber nachgedacht, PILEDRIVER ruhen zu lassen oder war das keine Option? Wir haben bei meiner eigenen Band auch zum Jahreswechsel unseren Bassisten verloren und einen Moment lang überlegten wir, ob wir die Gruppe nicht zu Grabe tragen, kamen aber dann zum Schluss, dass es unser Freund gewollt hätte, dass wir weiter Musik zusammen machen…?

Michael:
Das tut mir leid zu hören! Nach Rudis Ableben haben wir erst einmal gar keine Motivation gehabt, irgendwelche Pläne zu machen. Erschwerend hinzu kam, dass ja im September 2020 auch noch kein Ende der Pandemie abzusehen war; es bestand völlige Unklarheit, ob wir überhaupt noch einmal eine Bühne würden betreten können, denn im Dezember 2020 wurde behördlicherseits bekanntlich der 2. „Lockdown“ verhängt – und Konzerte „mit Maske“ unter Beachtung der „A-H-A“-Regeln oder „Autokino-Gigs“ wären für uns nie in Betracht gekommen. Also ja, ich war der Überzeugung, dass wir in Zwolle unseren letzten Gig gespielt und den dankenswerterweise gefilmt hatten. Aber glücklicherweise habe ich mich geirrt. Es geht weiter – nun können wir endlich wieder touren! Und da wir Rudis Lebensphilosophie kennen, wissen wir, dass er genau dies gewollt hätte; mittlerweile bringen wir auch wieder die notwendige Kraft, Energie und Begeisterung auf, die es für diese Spielart des Rock´n´Roll unbedingt braucht. „Überschäumende Lebensfreude“ – das ist es was STATUS QUO zu ihrem „Heyday“ auf der Bühne ausmachte, und aufgrund der musikalischen Wurzeln gilt das natürlich auch für PILEDRIVER. Das Ganze lebt von der Freude und der Energie, die wir ausstrahlen und über die Bühnenkante bringen (müssen) – andernfalls funktioniert es nicht.

6. Habt ihr schon einen Nachfolger für Rudi oder ist jemand wie er unersetzbar?

Michael:

Auf die Gefahr hin, dass es pathetisch klingen mag: jeder Mensch ist einzigartig und daher nach meinem Verständnis nicht ersetzbar. Funktionen können (in unserem Falle: müssen) personell neu besetzt werden, damit die „Betriebsbereitschaft“ gewahrt bleibt bzw. eine Band fortgeführt werden kann. Wir haben es lange Zeit als besonders schwierig empfunden, einen „Neuzugang“ in unsere Gruppe zu integrieren, die so viele Jahre in eine konstanten Besetzung gespielt hatte. Daher kam zunächst auch die Überlegung auf, nur noch zu viert ohne Keyboarder aufzutreten, wie wir es in den ersten „PILEDRIVER-Jahren“ von 1995 bis 2004 bereits praktiziert hatten – im Übrigen spielten ja auch die „Frantic Four-Quo“ auf ihren Reunion-Touren in 2013 und 2014 ohne Andy Bown. Letztlich haben wir diese Option aber verworfen, weil Keyboards in den Arrangements einer Vielzahl der Songs doch wesentlich sind bzw. eine zusätzliche „Farbe ins Spiel“ bringen – und wir mit diesem Instrument musikalisch deutlich flexibler sind.

Mit Thomas Frerich haben wir einen würdigen Nachfolger gefunden, der für uns menschlich wie musikalisch ein echter „Glücksfall“ ist – „Thom“ hat sich nahtlos und perfekt in die Band eingefügt; „hauptamtlich“ arbeitet er als Musiklehrer an einer Realschule und verfügt somit auch über eine fundierte „musiktheoretische“ Ausbildung – es ist kein Widerspruch, wenn ich anfüge, dass er ein echter Vollblutmusiker und (natürlich) „Rocker“ ist, dessen musikalische Wurzeln eine erhebliche Schnittmenge mit den unseren aufweisen. Und so geht es weiter.

7. Dass ihr die Show in Zwolle als Tribut an Rudi veröffentlichen wollt, ist, wie gesagt, eine schöne Geste. Aber wieso fiel die Wahl auf die anderen beiden Mitschnitte in Minehead und Herne?

Michael:

Im Rahmen der Ende 2018 beginnenden Promo-Kampagne für das „ROCKWALL“-Album planten wir auch einen Konzertfilm, auf dem wir die „Live-Aufführung“ der auf der CD vertretenen Songs festhalten wollten. Vorgesehen war also nur die Aufzeichnung einer Show, für die wir uns das Kulturzentrum in Herne ausgeguckt hatten, weil wir wussten, dass wir dort so etwas wie ein „Heimspiel“ haben würden. Um aber sicher sein zu können, vor „vollem Haus“ spielen und filmen zu können, hatte ich zuvor Kontakt mit Robby Walsh, dem Sänger von PURPENDICULAR, aufgenommen. Mit ihm vereinbarte ich, dass seine Band mit IAN PAICE an den Drums den Abend „headlinen“ würde; im Nachhinein hat sich diese (nicht ganz kostengünstige) Entscheidung als richtig erwiesen, denn es kamen fast 1.000 Leute, die das Kulturzentrum vollständig füllten und uns eine tolle „Kulisse“ bereiteten.

Anfang Mai 2019 kam dann die Anfrage aus Großbritannien, ob wir bei der für Ende September 2019 geplanten SQ-Fan-Convention dabei sein könnten und wollten – was natürlich eine rein rhetorische Frage war, zumal die Veranstaltung im „Butlin´s Minehead Resort“ stattfinden sollte, also an dem Ort, an welchem die SQ-Geschichte 1967 begann (in diesem Jahr stieß Rick Parfitt zur Band). Ein „must go“ für uns als Fans des SQ-Original-Line-Ups. Also sagten wir zu, allerdings unter der Bedingung, unsere Film-Crew mitbringen und den Gig aufzeichnen zu dürfen – selbstredend wollten wir dieses Event dokumentieren. Von Yvonne Hanvey, der federführenden Organisatorin innerhalb des Fanclubs, erhielten wir „grünes Licht“ – und die Erlaubnis, auch Original-Songmaterial und nicht nur Quo-Tracks spielen zu dürfen. Als dann wenig später noch die Anfrage aus den Niederlanden kam, ob wir Ende Januar 2020 auf dem „Arrow-Rock-Festival“ in den IJsselhallen/Zwolle spielen könnten, machte es „klick“ – und die Idee zu dem „Live in Europe“-Projekt war geboren. Als die Entscheidung fiel, ahnten wir allerdings nicht, dass wir die letzten Shows mit Rudi Peeters dokumentieren würden.

8. Habt ihr den Sound im Nachhinein im Studio noch etwas aufpoliert oder handelt es sich bei den Konzertmitschnitten um 100 % authentische Live – Aufnahmen?

Michael:
Wir mussten einen Teil der Aufnahmen nachbearbeiten, soweit diese technische Mängel aufwiesen. Da Du selbst Musiker bist, weißt Du sicherlich aus eigener Erfahrung, dass gerade bei Festivals mit eng getaktetem Zeitplan immer irgendwelche Probleme auftreten. Beispielsweise verlief der Gig in UK für uns so gut wie soundcheckfrei, da es Probleme mit der FOH-Anlage gab, die natürlich zu Lasten unserer Zeit gingen (einige Kanäle am Mischpult waren defekt, und es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis die Probleme näherungsweise gelöst waren). Zudem hatten die Gitarren fast 2 Tage bei sehr niedrigen Temperaturen im Truck gestanden, und entsprechend schwierig war es dann (bzw. unmöglich), diese bei deutlich höheren Temperaturen auf der Bühne „bei Stimmung“ zu halten. Als der Gitarrist, dem bei den SQ-Tracks die Parfitt-Gitarrenparts zufallen, hatte insbesondere ich Tuning-Probleme, da die Songs nur ausnahmsweise mit Standardstimmung gespielt werden; gefordert sind zahlreiche unterschiedliche Tunings mit variierenden Kapodaster-Positionen. Töne mit „misslicher Stimmung“ habe ich natürlich ausgebessert. Dann hatte Rudi beim Gig in Zwolle das Problem, dass eine Feder der Tastatur seines Keyboards defekt war und demzufolge eine bestimmte Taste bei Betätigung stets „hängen“ blieb. Die Folge waren einige Akkorde, die man als Reminiszenzen an Arnold Schönbergs Zwölftonmusik verstehen konnte. Dem Eindruck haben wir – ich hoffe nachvollziehbarerweise – entgegengewirkt. Das waren nur 2 Beispiele für eine Vielzahl von Problemen, denen man nun einmal bei Live-Auftritten ausgesetzt ist, wenn man auch tatsächlich spielt und nicht zum Playback mimt. Schließlich haben wir das mehr als 3-stündige Rohmaterial an Siggi Bemm (Woodhouse Studio, Hagen) übergeben, der dann die Aufnahmen gemischt und gemastered hat. Siggi gehört im kommerziellen klassischen Rockbereich unumstritten zu den Top-Produzenten Deutschlands; von Maffay über Lindenberg bis Kreator waren alle bei ihm. Wir wollten u.a. deshalb diesmal mit Siggi arbeiten, da er noch analog mischt und sich eben bestens auf die Musik versteht, die wir machen. Er hat zweifellos einen wesentlichen Beitrag zur Soundqualität des Endprodukts geleistet, wofür wir ihm sehr dankbar sind.

9. Wie man bei den Auftritten hört und sieht, sind PILEDRIVER eine absolute Live – Band. Wie erging es da euch während der Pandemie, wo Konzerte nicht oder nur in begrenztem Umfang möglich waren? Habt ihr auch Auftritte unter Hygienebedingungen absolviert, beeinträchtigt das nicht die Atmosphäre eines Rock – Gigs?

Michael:
Nein, das wäre für uns nicht in Betracht gekommen. Eher hätten wir der Bühne den Rücken gekehrt. Rock´n´Roll funktioniert nicht mit Abstandsregeln, denn bei den Gigs geht es um ein Gemeinschaftserlebnis, Nähe, Schweiß, Energie und Spaß – wir veranstalten keinen Maskenball… Eine Zeit lang hatte ich auch darüber nachgedacht, nur noch im Tonstudio an eigenem Songmaterial zu arbeiten. Das hätte ich auch umgesetzt, wenn die COVID-Beschränkungen nicht zu einem Ende gekommen wären.

10. Wie ist euer persönliches Gefühl bzgl. Live-Shows im Jahre 2023: Hat sich da etwas im Vergleich zu vor der Pandemie verändert? Momentan tourt ja gefühlt jede zweite Band, weswegen da irgendwie eine gewisse Sättigung bemerkbar ist. Andererseits sind viele Konzerte, die dieser Tage stattfinden, meistens sehr gut besucht…

Michael:
Am morgigen Donnerstag (06.04.23) starten wir unsere „Konzertreihe“ des Jahres 2023, und wir haben natürlich unser neues Produkt im Gepäck. Morgen steht ein Club-Gig in Dortmund an, wir können mit ca. 180 – 200 Leuten rechnen. Übermorgen, am Freitag, sind wir dann wieder einmal in den Niederlanden zu Gast. Das „Paaspop“-Festival, auf dem wir am späten Freitagabend spielen werden, ist eine große und seit Jahren etablierte Veranstaltung, zu der etwa 30.000 Leute erwartet werden. Die werden zwar nicht vor unserer Bühne stehen, aber wir dürfen darauf hoffen, 3.000 – 4.000 Rockfans zu erreichen. Mit dem „Auftakt“ sind wir also ganz zufrieden. Vor einem Jahr war das noch ganz anders; kaum ein Veranstalter wollte ins Risiko gehen und sich vertraglich verpflichten, da man immer noch „Rückschlage“ in Form von pandemiebedingten behördlichen Auflagen fürchtete. Mittlerweile haben die Organisatoren wieder Vertrauen gefasst. Wobei ich Dir Recht gebe: Aktuell herrscht (verständlicherweise nach mehr als 2 Jahren Zwangspause) ein Überangebot an Veranstaltungen, das nach meiner Wahrnehmung zu Lasten der „Kleinkünstler“ bzw. der nicht ganz so großen Namen in der Branche geht. Vieles wird abgesagt, da die Kartenvorverkäufe schlecht laufen. Z. B. Jupiter Jones haben das offen kommuniziert. Wirklich gut laufen natürlich die Touren der „Mega-Stars“, siehe Rolling Stones, Rammstein etc.). Aber für die „Masse der Zunft“ ist die Situation wirtschaftlich schwierig, denn die Produktionskosten sind signifikant gestiegen, und auch im Musikbusiness herrscht „Fachkräftemangel“, der die Preise für Techniker etc. nach oben treibt.

11. Habt ihr mit PILEDRIVER Konzerte / Tourneen in absehbarer Zukunft geplant?

Michael:
Siehe oben – wir werden in den nächsten 12 Monaten unterwegs sein, um unseren jüngsten Release zu promoten, der in der Tat eine Menge Geld verschlungen hat. Unsere Agentur ist fleißig, und es kommen erfreulicherweise immer mehr Anfragen herein.

12. Eure letzte Studioplatte „Rockwall“ liegt ja auch schon eine Weile zurück: Habt ihr mittlerweile wieder ein paar neue Songs geschrieben? Klingen die nun vielleicht etwas härter, düster, angesichts der schwierigen Zeit, die ihr während der Pandemie und nach Rudis Tod durchmachen musstet?

Michael:
Den Titel für das Folgealbum trage ich schon seit Sommer 2018 mit mir herum – also zu einer Zeit, da ROCKWALL noch nicht veröffentlicht war – das geschah erst am 12.10.2018. Auf meinem Laptop befinden sich mittlerweile eine Menge „bits & pieces“, wirklich aufnahmebereit ist aber noch nichts. Ich hoffe, dass ich im Laufe dieses Jahres dazu komme, die „snippets“ zu neuen Songs zusammenzufügen. Ab März 2024 könnten wir dann mit den Aufnahmen beginnen. Der Abschied von Rudi hat sich sowohl in den Ideen für die Lyrics als auch natürlich für die Musik niedergeschlagen. Sicherlich werden am Ende 1 bis 2 Songs davon geprägt sein, momentan habe ich einen Track in Arbeit, bei dem wir voraussichtlich nur mit Akustikgitarren arbeiten werden. Aber wie gesagt – noch ist „alles im Fluss“.

13. Auf dem Cover von „Rockwall“ waren ja einige höchst umstrittene Staatsführer (ich würde eher sagen „Despoten“) zu sehen. Einer von ihnen ist (glücklicherweise) mittlerweile nicht mehr im Amt, der andere hat seitdem jedoch mit seinen Allmachtsphantasien unsägliches Leid über andere Menschen gebracht und die Weltordnung gehörig durcheinandergewirbelt. Insofern war dieses Cover ein Stück weit fast schon prophetisch… Kaum fünf Jahre später und die Welt ist eine andere… Glaubst Du, dass es solche (positiven) Rockbands und –Shows wie euch braucht, damit die Menschen auch mal vom grauen Alltag abschalten können?

Michael:
ROCKWALL war ja ein Wortspiel, das einerseits natürlich auf die zunehmende und von besagten Autokraten emsig vorangetriebene Spaltung der Gesellschaften und die damit verbundenen Gefahren für Freiheit und Demokratie aufmerksam machen sollte, andererseits aber auch bedeutete, dass Musik Mauern zum Einsturz bringen kann, sprich: ein verbindendes Element ist, das Hass und Vorurteile überwinden hilft und die guten Eigenschaften der Menschen zum Vorschein bringen kann. Wir sind uns jedoch bewusst, dass wir Musiker nur sehr begrenzten bis gar keinen Einfluss auf das politische Geschehen haben. Das ist aber auch gar nicht unsere Funktion, und wir verfügen auch nicht über die notwendige Expertise, um uns tatsächlich eine fundierte Meinung bilden bzw. erlauben zu können. Leider müssen wir täglich in den sogenannten „sozialen Medien“ zur Kenntnis nehmen, dass unverrückbare Meinungen durchweg mit sehr wenig Ahnung einhergehen. Zwischen Meinung und Ahnung besteht eine klar negative Korrelation – bedauerlicherweise und mit Langzeitfolgen, die wir aktuell nur erahnen können.

14. Werdet ihr künftig mit PILEDRIVER immer noch die eine oder andere ernsthafte textliche Botschaft formulieren, egal ob politischer oder gesellschaftskritischer Art?

Michael:
Wir als Band wollen Entertainment, Zerstreuung und Spaß bieten, das sehe ich als unsere primäre Aufgabe. Was aber eben nicht ausschließt, dass die Lyrics unserer Songs (positive) Botschaften enthalten und wir vor denen warnen, die die Macht ausschließlich und auf Dauer für sich beanspruchen. Mittlerweile würde ich dem ROCKWALL-Cover auch noch Xi Jingping und auch den israelischen „Dauer-Premier“ Bibi Netanjahu hinzufügen. Die beiden werden die Welt bzw. den Nahen Osten in den nächsten Jahren noch in Atem halten. Die Lyrics der neuen Songs werden sich sicherlich mit diesen weltpolitischen Entwicklungen, aber auch mit den religiösen bzw. kirchlichen Brandstiftern beschäftigen, die ja häufig ihren Einfluss nutzen, um Autokraten den Weg zu ebnen. Abgesehen davon, dass jeder Religion die Diskriminierung innewohnt. „Religion ist das Opium des Volkes“, um Karl Marx zu zitieren. Dem kann ich zustimmen.

15. Ein fester Bestandteil von PILEDRIVER – Konzerten und, ich sag mal, „Grundstock“ der Band sind ja Status Quo – Songs. Eure eigenen Stücke sind schon irgendwie auch in der Blues n´ Boogie Rock – Ecke verankert, aber letzten Endes versucht ihr schon, euch von Quo zu lösen und ein eigenes Ding zu machen. Manche Stücke klingen richtig heavy und lassen sogar Einflüsse aus der Hardrock – Ecke oder dem Heavy Metal erkennen… stimmst Du dieser Einschätzung meinerseits zu?

Michael:
Das siehst Du vollkommen richtig. Unsere „Vision“ ist ja die Fortschreibung der „Frantic Four“-Ära von SQ. Diese Zeit war und ist unsere Inspiration. Hinzu kommen natürlich weitere „Ingredienzen“; Peter (unser Leadgitarrist) ist Rory Gallagher-Fan, verehrt Randy Rhoads und George Lynch; ich hingegen finde Michael Schenker mit UFO großartig – und beide lieben wir natürlich AC/DC. Dass wir mit diesen Legenden aufgewachsen sind, hört man selbstredend heraus. Insbesondere auf ROCKWALL klingen wir dann nur noch gelegentlich wie SQ. Wenn ich Kritikerstimmen Glauben schenken darf, haben wir uns mittlerweile „emanzipiert“ und einen recht eigenständigen Sound kreiert. Dass man Einflüsse erkennen kann, ist doch nachvollziehbar und in Ordnung. Bei fast allen Musikern und auch bei den ganz Großen war und ist dies der Fall – siehe „Whole lotta love“ von Led Zeppelin – der Song war ein Plagiat von „You need love“, ein Song von Blueslegende Willie Dixon aus dem Jahre 1962. Oder „Come Together“ von John Lennon, der sich hierzu bei Chuck Berry´s „You can´t catch me“ bedient hatte.

16. Steht ihr mit Status Quo – Musikern in persönlichem Kontakt? Wie stehen bzw. standen die Jungs zu PILEDRIVER?

Michael:
Zum aktuellen SQ-Line-Up gibt es keine Kontakte; wie die Musiker zu uns stehen, kann ich Dir nicht sagen. Wir haben John Coghlan und Alan Lancaster (die Original-Rhythmussektion und der „Maschinenraum“ von SQ) zuletzt im September 2019 anlässlich der Fan-Convention nach unserem Gig in „Butlin´s Minehead Resort“ getroffen und in unserer Garderobe mit ihnen geplaudert. Daran denken wir gern zurück, insbesondere, weil Alan ja ziemlich genau 2 Jahre später am 26.09.2021 verstorben ist. Sowohl Alan als auch John haben wir als sehr umgänglich, zugänglich und sympathisch kennengelernt.

17. OK, das waren alle meine Fragen. Vielen Dank Dir, dass Du die Zeit genommen hast Rede und Antwort zu stehen! Ich finde es auf jeden Fall toll, dass ihr mit PILEDRIVER weitermacht, Hut ab, das ist nach dieser schwierigen Zeit beileibe nicht selbstverständlich! Zeit für ein paar letzte Worte an unsere Leserschaft Deinerseits… Und könntest Du abschließend bitte noch Deine 5 Lieblingsalben nennen? Vielen Dank noch mal und alles Gute für Dich und PILEDRIVER! Man sieht sich on the road (endlich wieder!)!

Michael:
Gern geschehen, Chris – danke für Dein Interesse und die Komplimente! Ich weiß das sehr zu schätzen und ich hoffe, eure Leser haben bis zu dieser Stelle des Interviews durchgehalten…😉

Würde mich sehr freuen, Dich / euch nächstens bei einem unserer Gigs begrüßen zu dürfen!

Hier meine Lieblingsalben:
1. Status Quo live – Apollo theatre Glasgow October 1976
2. Strangers in the night – UFO
3. Highway to hell – AC/DC
4. Screaming for vengeance – Judas Priest
5. Wish you were here – Pink Floyd

Alles Gute und herzliche Grüße,

Michael